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Vom Kosmos

Ausstellungsreihe Krieg → Angst → Kosmos → Liebe

14. 2. – 17. 3. 2007

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= (Gleichheitszeichen)

23. 11. – 21. 12. 2007

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Rauhes Glück

19. 10. – 17. 11. 2007

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Para*site

14. 9. – 13. 10. 2007

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Kunstportale

Schloß Balmoral in der Galerie Nord

1. 8. – 1. 9. 2007

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Von der Liebe

Ausstellungsreihe Krieg → Angst → Kosmos → Liebe

4. 5. – 9. 6. 2007

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Clips

KünstlerInnen werben für sich und ihre Arbeit

23. 3. – 28. 4. 2007

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Vom Kosmos

Ausstellungsreihe Krieg → Angst → Kosmos → Liebe

14. 2. – 17. 3. 2007

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Susanne Specht, Margarit Lehmann

Reiner Maria Matysik

Reiner Maria Matysik

Ralf Lücke

Margarit Lehmann, FOCO 3, 1998, TINTA S. TELA, 115 x 128 cm

Reiner M. Matysik

Susanne Specht

Eröffnung:

14. 2. 2007

Der Blick in den Kosmos bestimmt das menschliche Leben seit Beginn der Zivilisation. Jede Kultur setzt sich mit der Produktion von Ideen und Bildern ins Verhältnis und sucht nach sicheren Standpunkten angesichts der sowohl verheißungsvollen als auch bedrohlich empfundenen Unendlichkeit des Weltalls.
Das Schauen des Universums galt der vorsokratischen Philosophie der Antike als eigentliche Bestimmung des Menschen, Platon siedelte im Kosmos den über-himmlischen Ort – das Reich der Ideen – an. Aristoteles begriff das theoretische Verstehen des Kosmos gar als das größte menschliche Glück und eigentliches Ziel seines Daseins.
Die antike Bedeutung von Wissen und Erkennen des Kosmos wiederum wurde der christlichen Kultur suspekt: Augustinus galt alles Weltwissen als eitel und Ausdruck heidnischer Weltverlorenheit, weil es vom eigentlichen Erkennen Gottes und der christlichen Lehre von der göttlichen Schöpfung und des Seelenheils wegzuführen drohte. So verlor der Kosmos seine ursprüngliche Bedeutung als Zentrum der Sinngebung und wurde stattdessen als ein transitorischer Bereich – als Übergangsstation auf dem Weg des Menschen zur ewigen Seligkeit begriffen.
Erst mit den physikalischen Entdeckungen Isaac Newtons und der nachfolgenden Aufklärung drang der unendliche Raum des Kosmos wieder in das Ideenreich ein, nicht ohne aber die mittelalterliche Angst der Menschheit und ihre bedrohte Stellung im Weltganzen in der Philosophie weiter zu diskutieren.

So schrieb Immanuel Kant: „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“ Kant stellte damit wieder den Bezug zur dualen Struktur der antiken Philosophie – der Naturphilosophie und der Moralphilosophie, also der kosmischen Theologie und der irdischen Ethik her, wie sie vielleicht am prominentesten als komplementärer Kontrast in Raffaels Fresko „Die Schule von Athen“ (1510-11) in den Stanzen des Vatikan bildlich dargestellt ist.
1845 erschien in Berlin der erste Band des „Kosmos“ von Alexander von Humboldt als „Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“, der „die ganze materielle Welt, alles was wir heute von den Erscheinungen der Himmelsräume und des Erdenkens, von den Nebelsternen bis zur Geographie der Moose auf den Granitfelsen wissen“ umfassen sollte. Humboldts Ziel war es – neben der universellen Bildung – „dem von der Gegenwart unbefriedigten Geist die Sehnsucht nach unbekannten Regionen des Wissens zu erfüllen“. Er verstand damit wissenschaftliche Forschung und Kosmologie letztlich auch als politische Praxis und gewissermaßen als eine geistige Opposition, nicht ohne aber am Ende seiner enzyklopädischen Weltbetrachtungen die Frage nach einer transzendenten Utopie ebenfalls unbeantwortet bzw. offen zu lassen.

Spätestens seit Albert Einstein und den Entdeckungen der modernen Kosmologie stellt die Bindung an eine außerweltliche Instanz für das kritische Bewusstsein der Moderne zwar keine sinngenerierende und ethische Option mehr dar, das Unbehagen des endlichen Menschen im Gegenüber zum unendlichen Kosmos ist aber bis heute prägend geblieben. Die Kosmologie und die Erforschung des Universums sind zwar weit fortgeschritten, an der Stellung des Menschen darin hat sich aber kaum etwas geändert. Und so scheint es bis heute nur zwei alternative Bewältigungsstrategien zu geben, um angesichts der Unendlichkeit nicht in Nihilismus zu verfallen: den ungebrochenen Glauben an wissenschaftliche Forschung und technischen Fortschritt und die immer wieder aktuelle Berufung auf metaphysische Sinngebungsinstanzen, nicht selten verbunden mit der Flucht in diffuse Esoterik.

Seit jeher begleiten die Künste diese naturwissenschaftlichen, philosophisch-theologischen und politischen Diskussionen über den Kosmos mit Vorstellungen und Modellen des Utopischen, haben ebenso spielerische wie rationale Anschauungen entwickelt und der Suche nach den ethischen Grundlagen menschlicher Kultur mit Bildern zum Ausdruck zu helfen versucht.

Die Ausstellung „Vom Kosmos“ stellt vier zeitgenössische Perspektiven vor, die sich diesem alten Menschheitsthema mit unterschiedlichen künstlerischen Mitteln und Strategien annähern, ohne explizite kosmologische Betrachtungen anzustellen. Vielmehr lenken sie die Aufmerksamkeit auf den materiellen Kern, spielen mit modellhaften Optionen, suchen nach Strukturen der Darstellbarkeit bzw. denken die Naturwissenschaften künstlerisch weiter. Ihr Ansatz ist weniger eine Form von Abbildbarkeit herzustellen, als vielmehr Denk- und Betrachtungsperspektiven in der Auseinandersetzung mit dem Thema zu eröffnen.

Die Berliner Bildhauerin Susanne Specht arbeitet neben modernen Materialien wie Beton vornehmlich mit Natursteinen. Ihre in der Ausstellung versammelten Feldsteine sind so genannte Eklogite (ekloges, griech. = auserlesenes Gestein), die sie im Fränkischen als zunächst äußerlich unauffällige Rohlinge finden. Der Grad der künstlerischen Bearbeitung ist scheinbar minimal und konzentriert sich im Wesentlichen auf das Betonen und Hervorbringen der kristallinen Strukturen durch das punktuelle Hauen und anschließende beharrliche Polieren rauher und abweisender Oberflächen. So öffnen sich gewissermaßen Schicht für Schicht, Schliff für Schliff künstlerische Monitore, die vielgestaltige und faszinierende Einblicke in die Entstehungsge-schichte der Materie ermöglichen und Fragen nach erdgeschichtlichen Entwicklungsprozessen stellen. Man erkennt kristalline Strukturen und differenzierteste Farbspektren, die diesem seltenen Gestein ihre besondere Bedeutung geben. Mit den Eklogiten wendet sich Susanne Specht somit einem bildhauerischen Material zu, das in Hinblick auf das Ausstellungsthema spätestens seit Goethes Abhandlung „Der Granit“ exemplarische Bedeutung für das Nachdenken über Kosmos und Erde gewonnen hat. Goethe sah im Granit den „Urvater alles Gesteins“ und damit den ältesten materiellen Bestandteil der Erde. „Wenn Goethe seine These auch später aufgrund der neueren geologischen Erkenntnisse seiner Zeit zumindest teilweise revidieren mußte, blieb der Granit seither doch ein Symbol für Härte, Dauerhaftigkeit – und aufgrund seines tellurischen Ursprungs – auch für die Erde.“ (Stefanie Endlich)

Man könnte also meinen, daß die künstlerische Auseinandersetzung mit harten Gesteinen eine Strategie der Reaktion auf die kosmische Bedeutungslosigkeit des Menschen ist und die bildhauerische Arbeit letztlich als Arbeit an der Ewigkeit begriffen werden kann. Doch es geht Susanne Specht, wie vielen anderen zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern nicht um die Schaffung vermeintlich „ewiger“ Kunstwerke, sondern vielmehr um ein prozessuales Denken, das die eigene Arbeit als Teil eines permanenten Entwicklungsprozesses versteht. Die Feldsteine markieren somit künstlerische Annäherungen an eine bildliche Unvorstellbarkeit, versuchen das Nicht-Sichtbare kosmischer Zusammenhänge der Sichtbarkeit näher zu bringen, indem sie einen naturwissenschaftlich-geologischen Forschungsgegenstand ohne das Pathos der Ideengeschichte in das philosophische Denken der Kunst zurückführen.

Die in Barcelona lebende Schweizerin Margarit Lehmann fertigt großformatige Zeichnungen aus zahlreichen feinen, scheinbar impulsiv gesetzten Strichen.
Auf den ersten Blick scheinen diese Lineaturen keinem kompositorischen Gesetz zu unterstehen, beginnen aber bei genauerer Betrachtung Konzentrationen und Peripherien zu entwickeln. Die Striche beginnen Richtungen aufzunehmen und dynamische Bewegungen nachzuzeichnen, sie bilden Flächen, Agglomerationen und Wirbel. Auf der Bildfläche entsteht ein quasi energetisches Feld konzentrierter Linien, die von einem subtilen Ordnungs- und Kompositionsschema geprägt sind.
Wenn wir uns in Erinnerung rufen, dass das Wort Kosmos im Griechischen nichts anderes als Ordnung bedeutet, erschließt sich das immanente Arbeitsprinzip der Künstlerin, das nicht immer abstrakt bleibt, sondern bisweilen auch ins Gegenständliche tendieren kann. Die für die Ausstellung ausgewählten, großformatigen Zeichnungen operieren hinsichtlich des Themas an eben jener spannenden Schnittstelle zwischen Abstraktion und Gegenstand. Sie problematisieren damit nicht zuletzt das immer wieder spannungsreiche Umgehen des menschlichen Vorstellungsvermögens mit dem Nicht-Vorstellbaren. Nicht wenige klassische Vertreter der abstrakten Kunst haben metaphysische Überlegungen in ihre Arbeit einbezogen und sich manchmal sogar auf religiöse Vorstellungen konzentriert. So sind gerade manche abstrakten Gemälde der klassischen Moderne von christlicher bzw. häufiger noch von kabbalistischer Zahlensymbolik und Maßverhältnissen geprägt. In Korrespondenz zu den Feldsteinen von Susanne Specht eröffnen Margarit Lehmanns Zeichnungen eine weitere spannende Perspektive, dem Nicht-Sichtbaren zu einer rezipierbaren Sichtbarkeit zu verhelfen, die nicht unbedingt von geistesgeschichtlichen Ideen gespeist wird.

Weitaus spielerischer und experimenteller geht der Berliner Bildhauer Ralf Lücke an die Arbeit, wenn er technologische Fundstücke und Relikte industrieller Produktion in neue funktionale und ästhetische Zusammenhänge bringt. Die Funktionen entziehen sich aber nicht selten jeglicher Logik und laufen häufig ganz bewusst ins Leere rationaler Überlegungen. Motorik und Funktion hebeln sich aus, beginnen bisweilen ein kontraproduktives Eigenleben und geraten trotz allen technischen Anscheins nahezu immer an die Grenzen der Absurdität. Formale Annäherungen an menschliche Apparaturen entpuppen sich bei genauerer Betrachtung als rein ästhetische Setzungen, maschinelle Geräusche sind nichts weiter als purer Klang, dessen Bindung an optimale Prozesse verloren gegangen ist. Die Maschine avanciert unter den Händen des Künstlers von der technologischen Prothese zum ästhetischen Autoimmunsystem.
Gestaltungsprinzip Ralf Lückes ist das sampling heterogener Gegenstände zu vollkommen neuen Bedeutungskontexten. Angestammte Bezüge gehen in weit abstrakteren Beziehungsgeflechten auf. Auf alltägliche Verhaltensweisen anspielend schafft er mehrdimensionale Zeichensysteme und offene Assoziationsräume, in denen die Sensationen des Alltags und die Friktionen des Unbewußten symbolisch komprimiert scheinen. Transgenität und Rekombination finden in den Materialcollagen ebenso Beachtung wie die Verwachsungen menschlicher Angstlust und Triebsehnsüchte. Viele Arbeiten bedienen sich medialer Erweiterungen, wie z.B. Monitore, Bewegungsmelder, Prozessoren und akustischer Signale, mit denen das Geschehen des Umfelds Teil der Arbeit wird.
Die großformatige Arbeit im Zentrum des Raumes sampelt metallische Relikte zu einem Time-Tunnel, in dessen spiraler Röhre wir die wissenschaftliche Utopie künstlerische Wahrheit sehen werden. Ganz bewußt wird damit auf einen uralten Menschheitstraum angespielt, der nicht wenige – auch zeitgenössische – Künstler beschäftigt hat. Doch in Lückes Arbeiten bleibt diese Auseinandersetzung eine deutlich spielerische und sekundäre, während mit aller Ernsthaftigkeit ästhetische Fragen und skulpturale Probleme verhandelt werden. Die Sinnfrage der Technologie wird angesichts der Hybris des zivilisatorischen Fortschritts zur Behauptung der künstlerischen Idee, zur humanen Geste.

Reiner Maria Matysik arbeitet seit vielen Jahren an der produktiven Schnittstelle von bildender Kunst, Naturwissenschaften und Gesellschaft. Seine Aktionen und Projekte – bei denen er immer wieder andere Partner, Institutionen und das Publikum einbezieht – sind provokante Gesten der permanenten Grenzüberschreitung. Denn die ausschließliche Konzentration auf den Zuständigkeitsbereich der Ästhetik ist ihm nicht ausreichend, sondern er bezieht beharrlich völlig andere Disziplinen, Methoden und Konzepte in seine eigene künstlerische Arbeit ein. Das Atelier ist durch das Labor ersetzt, wissenschaftliche Experimente werden unter künstlerischen Gesichtspunkten entwickelt bzw. fortgeführt und mit Ernsthaftigkeit betreibt er Utopieforschung an genau jenen neuralgischen Stellen, an denen die reine Wissenschaft an ihre funktionalen und performativen Grenzen stößt. Biophysik, Chemie und Gentechnologie sind für den Künstler analoge Operationsfelder und Materialien, wie es Bildhauerei, Fotografie und Installation nicht selten für die Wissenschaft sind. Die technische Machbarkeit wird auf künstlerische Weise verifiziert oder aber des Scheiterns überführt. Im produktiven Austausch zwischen Forschung und Spekulation entstehen Denkoptionen, die zu ästhetischer Gestalt finden und so beispielsweise versuchen, zukünftige Lebensformen anhand alltäglicher visionärer Vorstellungen befremdliche Gestalt annehmen zu lassen.
Seine Installation aus einem großen Laboratorium und begleitenden Videoarbeiten für die Ausstellung „Vom Kosmos“ begreift Reiner Maria Matysik als Einladung an das Publikum, aus der rezeptiven Warteschleife in die aktive Teilnahme einzutreten. In der Rückwendung auf das archaische Material Lehm scheinen biologische Grundlagen mit geistesgeschichtlichen Reminiszenzen gebündelt, wird die biblische Genesis zu einer partizipativen Aktion, an der jede/r seinen/ihren Anteil nehmen kann.

Begleitende Veranstaltungen: